Materie und Sein



Erscheinungsformen desselben

 

Du fragst dich, was du bist:

Bist Körper, Seele, Geist?

Was substantieller ist?

Was davon Ursprung heisst?

 

Es sind doch alle drei, so will mir scheinen,

Erscheinungsformen nur des einen,

das ganz und alles ist, nicht Teile nur,

der Existenz von all umfassender Natur.

 

Dem Lichte gleich, das uns umgibt,

erscheint wie’s will und wie es euch beliebt,

ist Strahlung, Welle auch im leeren Raum,

kann Teilchen sein, man glaubt es kaum.

 

Ein Wesen, nicht aus dieser Welt,

es wird von Transzendenz beseelt,

legt Zeugnis ab von dem, was uns zutiefst berührt,

vom Hier, von mir und was davon hinüber führt.

 

 

Gudrun Kleinlogel, 28. November 2005



Der Realist

 

Sehen, was sichtbar ist,

fühlen, was fassbar ist,

das ist der Realist.

 

Unfassbares kann nicht sein,

Sichtbares zählt allein.

Alles hat seinen Grund;

nur Wirkung tut sich kund.

 

Hat er sich überlegt,

was unsre Welt bewegt,

was ihren Grund gelegt?

 

Materie sind Tisch und Blatt,

fühlbar die Fläche: glatt.

Uns trügt doch nur der Schein,

kompakt ist da nichts, nein.

 

Auch wenn’s dir nicht gefällt,

’s ist leerer Raum, nur Feld,

das diese Form erhält,

und Teilchen viel zu klein,

um sichtbar uns zu sein.

 

Und suchst du tiefer fort,

verlässt du Raum und Zeit:

unfassbar sind Form und Ort;

es herrscht Zufälligkeit.

 
 

Gudrun Kleinlogel, 21.9.05


 

Bewusstsein

 

Was heisst Universum mit all seinen Welten,

ihrem Werden, Vergehen

 und wieder Entstehen,

ohne Wesen darin, denen sie etwas gelten,

die sie schauen und kennen,

zu erforschen versuchen,

ihre Rätsel benennen,

nach Erklärungen suchen?

Zeugnis ablegend vom Sein dieser Welt,

dass alles nicht Schein nur und öde und leer.

Ihr Zeugnis hat Dasein erst sichergestellt.

Dem Spiel ohne Zeugen an Sinn es gebricht:

Was wäre es dann noch? Es wäre nichts mehr!

Ist die Welt nicht bewusst, existiert sie auch nicht!

Bewusstsein und Dasein sind niemals zu trennen.

Zugleich mit dem Sein, ist Bewusstsein vorhanden,

ist Teil dieser Welt wie Materie und Geist,

gegossen in Wesen, die als Ich sich erkennen,

begabt mit Bewusstsein, das immer bestanden

und welches als Spiegel der Welt sich erweist.

 

Gudrun Kleinlogel, 13.2.06



Das Alles und das Nichts

 

Eins ist, das all umfassend ist,

das als Urgrund von Allem alles umschliesst:

die grössten Strukturen und Teilchen ganz klein,

was war und was ist und was erst noch wird sein;

Schatten und Licht,

Leere und Fülle,

Lärmen und Stille,

den Raum und das Nichts,

Materie und Geist,

das Sein und die Zeit,

Bewusstsein und Seele,

Erfüllung und Quelle,

Gefühle wie Freude,

aber auch Leiden,

Erlösung vom Heute,

Begegnung und Scheiden.

Das ist unser Alles -

wir gehören dorthin –

das Ziel unsres Lebens,

Existenz wie auch Sinn.

Das ist unser Alles

oder „Nirwana“,  das Nichts?

Da hilft ein Gleichnis vom Wesen des Lichts,

bestehend aus Farben unendlich vielen,

die, wenn sich alle summieren, erzielen

ein Licht ohne Farbe – Alles ist Nichts.

  

G. Kleinlogel, 26.1.2006

 

 

Einem Kristalle gleich

 

Einem Kristalle gleich ist unser Leben.

Durchwandern wir es in der Zeit,

so können wir es fassen, erleben,

an ihm bauen und weben.

  

Von aussen leuchtet die Welt.

Ihr Licht durch Kristallflächen fällt,

wird gestreut,  gebeugt, reflektiert,

wird betrachtet und interpretiert

von uns, die im Innern wir wohnen.

 

Versucht, ein Licht anzumachen,

ein Feuer dort drin zu entfachen!

Es wird wirken, sich lohnen!

Denn zusammen mit dem Lichte der Welt,

das zurück durch Kristallflächen fällt,

kommt auch mit strahlendem Flimmern

das Leuchten aus seinem Innern.

 

Gebt ihm, was Schönheit verleiht,

versucht euer Bestes zu geben,

so wird es immer dort schweben

und leuchten im Raum hell und weit,

wo Kristall an Kristalle sich reiht.

  

 

Gudrun Kleinlogel, 21.9.2005



Eis und Wasser – Etwas und Nichts

 

Etwas, aus Nichts kristallisiert –

wie Eis, wenn’s aus Wasser gefriert ? -

… aus dem Nichts, das ewig gebiert,

um’s immer danach zu verschlingen

und Neues daraus zu erbringen.

 

Das Eis - nicht an Klarheit gebricht’s –

und Wasser sind Formen des Gleichen,

sind beide nur Phasen vom Einen.

Und nehmen wir das als ein Zeichen,

so wird es uns klarer erscheinen:

 

Nur Phase des Wassers ist Eis.

Etwas – ist Phase des Nichts?

Individuell sind Kristalle, man weiss,

vielfältig an Formen und reich,

keines dem anderen gleich.

 

Geprägt im Moment des Entstehens

wird Form zum Code des Geschehens,

gibt Zeugnis, was vor ihrer Zeit,

was das Wasser dem Eise verleiht.

 

Was im Wasser erst Schwingung, Potenz,

wird im Eis zu gefrorener Form.

Die Form ist vergänglich, man kennt’s:

entstehen, dann sterben ist Norm.

 

Vernichtet und wieder geboren,

geschmolzen, doch niemals verloren,

zu Neuem vom Urgrund erkoren,

vom Ganzen umarmt und geborgen,

das prall und frisch wie ein Morgen

 

herausplatzt an Formen, an neuen,

die knospen und wuchern und streuen.

Existierende Etwas mit Sein

wollen leben und da sein – doch nein:

Sterbend erst kehren sie heim

 

Zum Nichts, aus dem sie entsprungen:

Vollendung des Kreislaufs gelungen!

Gefrorenes Nichts ist das Sein.

 

 

Gudrun Kleinlogel, 20.6.06